Geriatrisches Vestibulärsyndrom beim Hund (Störung des Gleichgewichtsorgans beim alten Hund) – Januar 2005

Wir wollen nicht immer von ungewöhnlichen Fällen berichten, oft sind es die kleinen unspektakulären Erkrankungen, die uns und vor allen den Besitzern große Sorgen machen.

Nancy

So war es auch mit unserer alten Dame „Nancy“ von Frau Prutz. Nancy ist eine 13 Jahre alte Collie-Mix Hündin und für ihr Alter sehr rüstig.
Frau Prutz brachte sie zu uns in die Praxis, weil sie am Mittag auf einmal beim Laufen immer wieder stolperte, sogar hinfiel und überhaupt nur noch schwankend laufen konnte. Die Treppen konnte sie natürlich auch nicht mehr normal hochsteigen. Frau Prutz vermutete zunächst, dass Nancy die Gelenke schmerzten, und sie deswegen so Schwierigkeiten beim Laufen zeigte. Vorbeugend hatte sie ihr ein Schmerzmittel verabreicht, doch das blieb völlig ohne Wirkung – ganz im Gegenteil – ihr Zustand hatte sich noch verschlimmert.
So befürchtete Frau Prutz für ihre kleine Hündin das Allerschlimmste.

 

Dr. Rogalla definierte das Krankheitsbild sofort: Es lag bei Nancy eine Störung des Gleichgewichtsorgans vor, die wir bei ältern Hunden häufiger vorfinden: in der Fachsprache heißt es idiopathisches geriatrisches Vestibulärsyndrom. Dem Hund ist total schwindelig – vergleichbar wie seekrank.
Idiopathisch in der Medizinsprache bedeutet einfach, dass dieses Krankheitsbild auftritt, ohne dass es dafür einen Grund gibt.
Geriatrisch beschreibt die Altersgruppe = alt, doch auch bei jüngeren Tieren kann die Krankheit auftreten.

Das für die Besitzer äußerst Erschreckende an dieser Erkrankung ist, dass sie so plötzlich auftritt. Eben war der Hund noch ganz normal und plötzlich kann er sich nicht mehr auf den Beinen halten, fällt immer wieder um und dreht sich im Kreis. So schlimm war es bei Nancy zum Glück noch nicht.

Doch sie hatte die typische Kopfschiefhaltung zu einer Seite und das typische, rhythmische Augenzucken in eine Richtung, was Frau Prutz noch gar nicht aufgefallen war.
Natürlich haben wir bei Nancy sofort eine Blutuntersuchung durchgeführt und auch das Herz im Ultraschall untersucht, um andere Ursachen, die ähnliche Krankheitssymptome hervorrufen können, auszuschließen. Zwar wurde bei Nancy im Ultraschall noch zusätzlich eine leichte Mitralisinsuffizienz ( eine Herzklappe schließt nicht mehr vollständig) mit einer Vorhofvergrößerung festgestellt, doch diese war nicht für die Gleichgewichtsstörungen verantwortlich.
Leider gibt es keine ideale Therapie beim Vestibulärsyndrom. Wir können medizinisch nur unterstützend eingreifen, um das Schlimmste zu verhindern. Bei Patienten, denen so schwindelig ist, dass sie erbrechen müssen, geben wir Medikamente, dass der Schwindel sich wieder aufhebt und das Tier sich nicht ständig wie „seekrank“ fühlt.
Dr. Rogalla erklärte Frau Prutz sehr ausführlich das Krankheitsbild. Am besten ist es im Vergleich mit einem Schaganfall zu verstehen. Der Patient erholt sich langsam, vor allem die Besitzer brauchen sehr viel Geduld, da die Fortschritte oft nur klein sind, und manchmal behält der Hund auch leichte Ausfallerscheinungen wie z.B. Kopfschiefhaltung zurück.
Doch bei Nancy war Dr. Rogalla aufgrund ihrer klinischen Erfahrung sehr optimistisch. Nancy wurde sehr schnell vorgestellt und so konnten wir auch gleich mit der unterstützenden Therapie beginnen.

Nancy und Frau Prutz

Nancy ist wieder putzmunter!

 

Die Kreislauf- und Gehirndurchblutungssituation wurde verbessert durch eine Dauertropfinfusiontherapie mit durchblutungsfördernden Mitteln über drei Tage. Danach konnten wir schon die ersten Verbesserungen erkennen und Nancy wurde von der Infusion abgehängt. Nach einer Woche lief Nancy schon wieder völlig normal geradeaus, nur beim Kopfschütteln fiel sie noch um – und nach zwei Wochen war sie ganz die Alte und Frau Prutz überaus glücklich.
Nancy hat sich somit sehr schnell erholt, manche Tiere benötigen 4 – 8 Wochen.

 

Auf Grund der festgestellten Herzerkrankung muß Nancy dauerhaft ein Herzmedikament einnehmen, zusätzlich erhält sie ein durchblutungsförderndes Mittel. Natürlich wurde mit Frau Prutz besprochen, dass bei Nancy auf Grund ihres hohen Alters von jetzt an regelmäßig ein Seniorencheck durchgeführt wird.

 

(Siehe auch: Wissenswertes – Geriatrisches Vestibulär Syndrom)