Lahmheit / Radialislähmung – Dezember 2002

In aller Frühe fanden wir jammerseelenallein, vor Schmerzen schreiend und wimmernd vor unserer Praxis in einer Plastiktüte eine kleine, vielleicht 6 Monate alte Katze. Dort lag sie, in der Tüte eingepackt, verletzt vor der Praxistür- aber besser hier, vor unserer tierärztlichen Praxis, als irgendwo im Straßengraben liegengelassen, wo sie mit Sicherheit verstorben wäre.
(Für alle, die es nicht wissen: es gibt im Hanauer Kreis unseren organisierten Tierärztlichen Notdienst, der außerhalb der üblichen Praxiszeiten für solche Fälle immer bereit steht).
Ein Blick in den Plastiksack genügte: das Tier war schwer verletzt, mit Sicherheit von einem Auto angefahren . Vorsichtig wurde das Kätzchen in die Praxis getragen, um ihm nicht noch weitere Schmerzen zuzufügen.
Die Untersuchung ergab, daß es ein kleines Katerchen war, noch unkastriert, der sich im Schock befand und schon absolut unterkühlt war.
Noch während der Untersuchung wurden die Notfallmaßnahmen eingeleitet: die Infusion erwärmt gegen die Unterkühlung, die Sauerstoffmaske angelegt, die Braunüle in die Vene geschoben, Kreislauf- und Schmerzmittel intravenös verabreicht, die Blutung aus einer tiefen Wunde am Unterkinn gestillt.
Aber der kleine Kerl wollte sich nicht erholen, immer wieder fiel sein Köpfchen nach unten und die Körpertemeratur sackte trotz Wärmematte und angewärmter Infusion weiter ab.
Wir haben um sein Leben gekämpft und erst am Nachmittag wußten wir, daß er den Unfall überleben wird.
Aber der Unfall hat ihn schwer geschädigt; er hat durch den schweren Schlag vom Auto einen Nervenabriß am rechten Vorderbein erlitten, das Bein ist absolut gelähmt und schleift über den Boden.
Dadurch entstehen auf Dauer schwere Verletzungen, die Vorderlauf schürft mit der Zeit auf, ist immer entzündet und vor Schmerzen versuchen die Tiere dann, das Bein abzubeißen.
(Automutilation nennt man das).

Nickerchen im Büro auf dem Sofa

Aus diesem Grunde mußte das Bein amputiert werden. Das erschreckt zunächst, aber wir haben es schon häufig durchgeführt- und im Endeffekt ist der Erfolg verblüffend.. Sie können sich überhaupt nicht vorstellen, wie schnell die Katzen lernen, auf 3 Beinen zu laufen, so schnell, so fix, daß man es am Laufen fast nicht erkennt ; selbst Mäuse fangen und Bäume klettern wird bewältigt – alles kein Problem.
Unser kleiner Gast turnt inzwischen auf seinen 3 Beinen munter durch unser Büro, wenn er Auslauf hat, aufs Sofa springen kann er schon ganz elegant.
Nun wohnt der kleine Kerl schon seit über 3 Wochen bei uns in der Praxis auf der Katzenstation.
Bisher hat sich niemand für ihn gemeldet – auch wissen wir garnicht, in welcher Gegend er verletzt worden ist – kommt er nun aus der Nähe oder wird er irgendwo weit entfernt gesucht und vermißt?

Er wird noch bis Weihnachten bei uns bleiben und dann haben wir das schönste Weihnachtsgeschenk für ihn:

Christiane mit dem Katerchen

 

 

Christiane, unsere Tierarzthelferin, die sich rührend während seiner Krankheit um ihn gekümmert hat, hat sich in den süßen Kerl verguckt und ihn „Jalouba“ genannt. Heiligabend darf er mit ihr nach Hause – sein neues Zuhause – wo er für immer bleiben darf – denn wir haben keine Hoffnung mehr, daß er noch abgeholt wird.
Das ist Glück im Unglück!