Geriatrisches Vestibulärsyndrom
Idiopathisches Vestibulärsyndrom
All diese medizinischen Ausdrücke kennzeichnen ein und dasselbe Krankheitsbild – eine Störung des Gleichgewichtorgans.
Gleichgewichtsorgan = Vestibulärapparat
Idiopathisch in der Medizinsprache bedeutet, dass es für dieses Krankheitsbild bis jetzt keinen bekannten Grund gibt.
Geriatrisch beschreibt die Altersgruppe = alt, doch auch bei jüngeren Tieren kann die Krankheit auftreten.
Betroffen sind alle Tierarten; bei uns in der Kleintierpraxis also nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Heimtiere wie z.B. Meerschweinchen und Kaninchen.
Die Krankheit betrifft in der Regel Tiere, die bis zum Auftauchen der ersten Symptome völlig normal erscheinen. Sie dauert einige Tage bis zu sechs bis manchmal auch acht Wochen.
Das Gleichgewichtsorgan – bestehend aus 3 halbkreisförmigen Bogengängen und 2 miteinander verbundenen Säckchen (im Bild oben) – ist ein äußerst diffizil aufgebautes System, das es ermöglicht, uns im dreidimensionalen Raum zu orientieren und die Bewegungen des Körpers entsprechend der Lage zu koordinieren. Es liegt gleich am Ohr und informiert das Gehirn ununterbrochen über unsere Position im Raum, die wir dann ständig nachkorrigieren.
Versagt dieses System, gerät man aus dem Gleichgewicht, man kann sich buchstäblich nicht mehr auf den Beinen halten. Vom Menschen weiß man, dass man sich fühlt, als säße man in einem sich schnell drehendem Karussel. Man ist seekrank: alles schaukelt, es kommen Schwindelanfälle verbunden mit Übelkeitsattacken bis hin zum Erbrechen.
Die Tiere fallen um, stolpern, beginnen im Kreis zu rotieren, erbrechen, verweigern das Futter – nicht weil sie nicht fressen möchten, aber vor ihnen dreht sich buchstäblich der Futternapf. In solchen Fällen müssen wir unsere Lieblinge per Hand füttern, was in der Regel auch klappt. Das Erbrechen kann medikamentös gestoppt werden. Auch für das ständige Übelkeitsgefühl gibt es Medikamente.
Auffallend sind rhythmische horizontale Augenbewegungen (= Nystagmus) und eine Kopfschiefhaltung zur betroffenen Seite der Schädigung.
Da der Gesamtzustand unserer Lieblinge erheblich gestört ist – in der Regel sind ja die älteren Tiere betroffen, ist es ratsam sie über eine Infusionstherapie zu unterstützen. Mit dieser Hilfe durchleben sie die Krankheit erfahrungsgemäß viel stabiler.
Manche Tiere behalten kleine Schäden zurück wie z.B. eine leichte Kopfschiefhaltung. Diese beeinträchtigt sie in der Zukunft allerdings nicht.
Selbstverständlich müssen alle Differentialdiagnosen, die eine ähnliche Symptomatik hervorrufen können, ausgeschlossen werden – Ohrentzündungen (=Otitis media / interna / Labyrinthitis) Fremdkörper / Tumore/ Infektionskrankheiten / Staupe / FIP bei Katzen / Toxoplasmose bei Hund und Katze/ Meningoenzephalitis / Medikamente, die toxisch auf das Hör- und das Gleichgewichtsorgan wirken. Doch das ist uns heute mit den diagnostischen Möglichkeiten in der Tiermedizin gut möglich.
Siehe auch Fall des Monats : Januar 2005