Immer wieder stellt sich die Frage, ob die Hündin zu kastrieren ist und in welchem Alter dies am besten geschieht.
Viele Fragen tauchen auf:
Setze ich meinem Hund gesundheitlichen Risiken aus, wenn ich meine Hündin nicht kastrieren lasse, was genau ist eine Kastration, was passiert bei einer solchen Operation genau, wie geht es der Hündin nach der Kastration, wird sie sich nach der Kastration verändern? Wird mein Hund dann dicker?
Im folgenden bemühen wir uns, Ihnen eine möglichst neutrale Entscheidungshilfe zu bieten, indem wir alle Konsequenzen dieses Eingriffs beleuchten.
Aber auch dann werden Sie feststellen, dass es keine Ideallösung gibt; nur Sie persönlich können sich nach sorgfältiger Aufklärung verantwortungsvoll für eine der beschriebenen Möglichkeiten für Ihre Hündin entscheiden.
Die Kastration bleibt auf jeden Fall immer eine Einzelfallentscheidung, die gut abgewägt sein soll.
Läufigkeit – keine Kastration:
(siehe: Wissenswertes: Hundegeburt | Fall des Monats 2004-05)
In der Regel wird die junge Hündin im Alter von 6 bis 12 Monaten das erste Mal läufig, d. h., sie ist jetzt geschlechtsreif geworden. Diese Läufigkeit wiederholt sich nun in der Regel 2x / pro Jahr. Es gibt aber auch Hündinnen die nur 1 x oder auch bis zu 3 x im Jahr läufig werden.
Die Läufigkeit beginnt mit einer ca. 10-tägigen Blutung, dann wird der Ausfluss klarer.
Dieser Wechsel geht mit der Deckbereitschaft der Hündin einher. Hat sie vorher die Rüden abgebissen, so ist sie jetzt aufnahmebereit. Diese Deckbereitschaft dauert ungefähr 3 Tage lang, dann wird der Ausfluss spärlicher bis er vollständig sistiert. Die gesamte Läufigkeit dauert 3 Wochen.
Wünschen Sie keinen Nachwuchs, so müssen Sie in dieser Zeit besonders gut auf Ihren Liebling aufpassen. Die Hündin ist hochattraktiv für die Rüden und die Bedeckung erfolgt schnell. Der gesamte Deckakt dauert ca. eine halbe Stunde.
Auf keinen Fall sollten Sie bei einer ungewollten Bedeckung die Hunde mit Gewalt voneinander trennen. Das kann für beide Tiere mit schweren Verletzungen enden. Ist das Unglück passiert, so ist es leicht möglich innerhalb der nächsten Tage hormonell die Nidation (Einnistung der befruchteten Eizelle) zu verhindern.
Hierfür müssen Termine zu Hormoninjektionen vereinbart werden.
Das ist für Ihre Hündin absolut schmerzfrei, allerdings ist eine mögliche Nebenwirkung der hormonellen Abtreibung die Entstehung einer Gebärmutterentzündung.
Manche Hündinnen verändern sich in der Läufigkeit vom Verhalten, sie können anderen Hündinnen gegenüber aggressiv sein.
Mit zunehmendem Alter neigt ein gewisser Prozentsatz der Hündinnen zur Scheinträchtigkeit: sie suchen sich ein Stofftier als Welpenersatz, den sie nicht selten gegenüber Familienmitgliedern unter Umständen auch aggressiv verteidigen und bilden Milch im Gesäuge an. Entwickelt sich daraus eine Gesäugeentzündung so muss diese behandelt werden, da sie auch sehr schmerzhaft ist.
Äußerlich ist die Vorbereitung auf die scheinbare Geburt mit der Milchanbildung sehr sichtbar, aber innerlich bereitet sich auch die Gebärmutter auf die Einnistung des Ei`s vor. Die Uterusschleimhaut wird vermehrt durchblutet und dicker. Diese zusätzliche Schleimhaut muss am Ende der Scheinträchtigkeit wieder abgebaut (resorbiert) werden, das gelingt dem Körper leider nicht immer. Insbesondere nach wiederholten Scheinträchtigkeiten kann sich so eine lebensbedrohliche Gebärmutterentzündung entwickeln, da die Abbauprodukte im Uterus verbleiben und sich eitrig verändern und lebensgefährliche Toxine bilden.
CAVE : Gebärmutterentzündung ist für Ihre Hündin immer ein lebensbedrohlicher Zustand, der ärztlich überwacht werden muß
Eine Gebärmutterentzündung kann sich aber auch nach einer normal verlaufenden Läufigkeit entwickeln. Das passiert i.d.R. 4 – 6 Wochen nach Beendigung der Läufigkeit. In dieser Zeit sollten Sie besonders gut Ihre Hündin beobachten und sie bei den ersten Anzeichen von gestörtem Allgemeinbefinden oder Scheidenausfluss einer TierärztIn vorstellen. Diese kann dann mithilfe von Laboruntersuchungen und Ultraschall eine Frühdiagnostik stellen und durch rechtzeitiges Eingreifen Ihre Hündin schützen.
Aus tiermedizinischer Sicht haben unkastrierte Hündinnen ein höheres Risiko in Bezug auf Scheinträchtigkeit, die auch mit einer Entzündung der Brustdrüsen einhergehen kann, auf Gebärmutterentzündung und auch auf Mammatumore (gut – oder bösartig). Auch sind unkastrierte Hündinnen anfälliger gegenüber Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit). (siehe auch: Fall des Monats 2005-02 | Wissenswertes: Diabetes mellitus)
Kastration durch Operation:
Bei der Kastration handelt es sich um einen operativen Eingriff in Vollnarkose bei dem die Eierstöcke und gegebenenfalls auch die Gebärmutter entfernt werden.
(siehe: Fall des Monats 2006-02)
Kastration:
Werden nur die Eierstöcke entfernt spricht man von der Ovarioektomie (OE), bei der Entfernung von Eierstöcken inclusive der gesamten Gebärmutter von der Ovariohysterektomie (OHE).
Bei der routinemäßigen Kastration einer gesunden Hündin, so haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, gibt es keine begründete Indikation für die Mitentfernung der Gebärmutter.
Im Gegenteil sollte nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen die Ovarioektomie (nur Entfernung der Eierstöcke) als Methode der Wahl betrachtet werden.
Sterilisation:
Bei der Sterilisation werden hingegen nur die Eileiter unterbunden. Die Hündin kann nun zwar keinen Nachwuchs bekommen, ist aber weiterhin hormonell aktiv: sie wird nach wie vor läufig, bleibt für die Rüden attraktiv, hat weiterhin Blutungen.
In unseren Breitengraden wird dieser Eingriff nicht durchgeführt, da er für die Hündin überhaupt keinen Vorteil hat: sie unterliegt weiterhin dem hormonellen Läufigkeitsstress und Sie haben weiterhin die Probleme mit den Blutungen und den interessierten Rüden.
Die Kastration stellt eine dauerhaft sichere Empfängnisverhütung dar, es können keine Läufigkeitsprobleme, Scheinträchtigkeit mehr auftreten.
Das Risiko der erwähnten Erkrankungen wie Mammatumore (Brustkrebs) und Diabetes mellitus verringert sich.
Bezüglich des Brustkrebsrisikos muß als erstes vorausgesetzt werden, dass auf die Gesamtpopulation der Hündinnen bezogen, nur 2% der Hündinnen ein Risiko haben, Brustkrebs zu entwickeln.
In dieser Risikogruppe ist es tatsächlich so, dass das Brustkrebsrisiko mit der Kastration sinkt und zwar ist dabei entscheidend der Zeitpunkt der Kastration.
Hier sehen die Zahlen so aus:
- Kastriert man eine Hündin vor der ersten Läufigkeit, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie Tumore entwickelt bei unter 2 Prozent!
- Wartet man bis nach der ersten Läufigkeit, steigt die Wahrscheinlichkeit auf 8 Prozent.
- Nach der zweiten Läufigkeit erhöht sich das Krebsrisiko bereits auf 25 Prozent!
- Nach der dritten Läufigkeit ist die Bildung von Tumoren durch eine Kastration nicht mehr zu beeinflussen.
Häufig wirkt sich die Kastration auch sehr positiv auf die Psyche der Hündin aus, insbesondere ängstliche und nervöse Hunde werden ausgeglichener und selbstsicherer. Die kastrierte Hündin bleibt vom Verhalten her eher „ kindlicher“, was sich in erhöhter Anhänglichkeit und Verspieltheit bis ins hohe Alter ausdrückt. In der Regel wird dies als sehr angenehm empfunden und ist auch von vielen Besitzern erwünscht.
An Bewegungslust und Temperament verlieren sie aber keineswegs.
Wie bei allem, gibt es auch bei der Kastration zwei Seiten, so birgt der Eingriff mögliche Nebenwirkungen:
- Bei den großen Rassen besteht das Risiko der Harninkontinenz (Harnträufeln), das oft erst Jahre nach dem Eingriff auftritt. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 5% bei Zwergrassen und bis zu über 20% bei Riesenrassen.
Meist äußert sie sich nur im Schlaf und tritt nur 2-4-mal im Jahr auf. Mit Medikamenten, Akupunktur, Neuraltherapie sind diese Erscheinungen häufig unter Kontrolle zu halten. - Bei einigen Rassen kann sich das Fell verändern. Betroffen sind davon vorwiegend lang- und feinfellige Hunde, insbesondere Rassen mit rotem Fell (Irish Setter, roter Cocker, roter Langhaardackel). Kurz –und stockhaarige Rassen werden davon nicht betroffen.
- Vereinzelt wird auch ein hormonell bedingter Haarausfall an den Flanken beobachtet.
- Hormonell bedingt ist auch eine Veränderung der Futterverwertung. Viele Hündinnen entwickeln einen größeren Appetit und setzen leichter Kilos an. Durch kalorienreduzierte Fütterung und viel Bewegung ist dem allerdings sehr leicht entgegen zu wirken. Eine kastrierte Hündin wird bei entsprechender Fütterungsdisziplin nicht dicker!
Hormonelle Kastration:
Die Läufigkeit wird durch regelmäßige Hormoninjektionen (Prostagene) unterdrückt. Diese Injektionen müssen alle 4-6 Monate im Anöstrus (Eierstocksruhe) verabreicht werden.
Allerdings sollten diese Injektionen nicht dauerhaft erfolgen, da das Risiko von Diabetes, Mammatumoren (Brustkrebs), Pyometra (Gebärmuttervereiterung) deutlich zunimmt.
Frühkastration:
Unter Frühkastration versteht man die Kastration vor der Geschlechtsreife, d.h., vor der ersten Läufigkeit.
Der Vorteil der Frühkastration liegt in dem geringen Brustkrebsrisiko, wie die o.g. Zahlen es belegen.
In der Fachwelt beschreiben einige Autoren, dass einige Hunde bei dem Eingriff vor der Geschlechtsreife in der Ausprägung ihres korrekten Sozialverhaltens gestört sein können, in Diskussion stehen hier v.a. Trennungsängste und verändertes Angst- und Fluchtverhalten.
Das Auftreten von Harninkontinenz (Harnträufeln) soll zwar seltener, bei Auftreten jedoch bedeutend ausgeprägter und schwieriger zu behandeln sein. Neuere Untersuchungen beschreiben hingegen, dass bei Rassen, die eine Neigung zur Inkontinenz haben, es eher zur Inkontinenz kommt, wenn sie vor der ersten Läufigkeit kastriert werden. Die Art der Kastration – direkt mit kleinen Bauchschnitt in der Mittellinie oder indirekt laparoskopisch – Entfernen nur der Eierstöcke (Ovarioektomie) oder des gesamten Uterus mitsamt der Eierstöcke (OvarioHysterektomie) hingegen, hat keinen Einfluß auf die Inkontinenz.
Hat die Hündin an einer juvenilen Vaginitis (Scheidenentzündung) gelitten, so kann diese Erkrankung in einen chronischen Zustand übergehen.
Kann man tatsächlich belegbar von Nebenwirkungen ausgehen?
Es können bisher (2021) wissenschaftlich leider keine verbindlichen Aussagen getroffen werden, die untersuchten Hunde können alle nicht in vergleichbare Gruppen gefasst werden. Bei den vielen Studien varieren die Hündinnen von Alter, von der Größe, der Gewichtsklasse, der Rasse ….. und diese vielen Variablen lassen Birnen mit Äpfeln vergleichen.
Undiskutiert bleibt allerdings, dass bei den großen Rassen bei der Frühkastration eine Korrelation zu Gelenksproblemen besteht. Dieses Phänomen bedarf allerdings noch weiterer Forschung.
Zeitpunkt der Kastration
Hier steht die individuelle Beratung mit dem Abwägen aller Vor – und Nachteile in Abhängigkeit von Rasse, Alter, und insbesondere Haltung im Mittelpunkt der Entscheidung. Falls die Kastration erwünscht wird, bevorzugen wir, sie vor dem Alter von 2,5 Jahren durchzuführen, da dann zumindest ein risikomindernder Einfluß auf die Mammatumorentwicklung besteht.
Operation Kastration:
Für diesen Eingriff wird die Bauchwand direkt kaudal des Nabels mit einen 4 – 8 cm langen Schnitt eröffnet, bei tiefbrüstigen Hunden fällt er evtl. größer aus.
Das Uterushorn mit dem anhängendem Eierstock wird dann manuell oder mit einem sog. Kastrationshaken aus dem Bauchraum vorgelagert. Es darf kein zu starker Zug auf die Ovargefäße ausgeübt werden, da sie leicht reißen können.
Ungefähr 1 cm hinter dem Eierstock werden Vene und Arterie mit resorbierbarem Nahtmaterial abgebunden.
Da wir uns im Bereich der Niere befinden, muss auf den Harnleiter geachtet werden. Nun wird eine Klemme auf das Uterushorn gesetzt und abgebunden. Jetzt ist der Eierstock von beiden Seiten ligiert, so dass er abgesetzt werden kann. Auf der anderen Seite wird genauso verfahren.
Die Bauchdecke wird mehrschichtig verschlossen und die Hündin von der Narkosemaschine abgenommen. Kommt die Hündin zu sich, wird der Tubus gezogen und bis zum vollständigen Erwachen bleibt sie an den Überwachungsgeräten angeschlossen. Dann wird sie nach Hause entlassen. Sowohl während des gesamten Eingriffes als auch in den folgenden Tagen wird ihre Hündin durch Gabe von entsprechenden Medikamenten schmerzfrei gestellt. Eine Nachkontrolle erfolgt am nächsten Tag.
Damit sie nicht an der Wundnaht leckt, erhält sie einen schützenden Bauchanzug, den sie bis zum Fädenziehen 10 Tage nach der Operation trägt.
Siehe auch: Fall des Monats 2006-02